„Was versteht man unter strafrechtlicher Konsumption?“

TiereDiese Frage stellen uns Pötters/Werkmeister, Basiswissen Jura für die mündlichen Prüfungen, 2015 auf Seite 67. In der Antwort heißt es dann:

Konsumption meint, dass ein Tatbestand regelmäßig bei der Begehung eines anderen mitverwirklicht wird. Aus diesem Grund gilt eine Bestrafung aus dem vorrangigen Delikt als ausreichend. […] Ein Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB konsumiert regelmäßig den Hausfriedensbruch nach § 123 StGB.

[Es gibt die Schreibweise „Konsumption“ und „Konsumtion“, wobei letztere wohl die verbreitetere ist.]

Wir sollten die Antwort von Pötters/Werkmeister etwas ergänzen.

Werkmeister (nicht Christoph, der mit Pötters das Buch für die mündliche Prüfung geschrieben hat, sondern Andreas) schreibt zu dem Verhältnis von § 244 I Nr. 3 StGB und § 123 StGB in der JA 2013, 902 (909):

Das teinheitlich [?, M.H.] begangene Delikt nach § 244 I Nr. 1 a, 3 StGB könnte § 303 I StGB bzgl. der Fensterfront bzw. § 123 I StGB im Wege der Konsumtion verdrängen.

Nachdem der Autor definiert hat, was unter Konsumtion zu verstehen ist, beginnt er mit der Argumentation.

Der BGH hat dies [Konsumtion, M.H.] neuerdings in Bezug auf § 243 I 2 Nr. 1 StGB hinsichtlich des § 303 I StGB abgelehnt, da eine Sachbeschädigung auch bei der Alternative des „Einbrechens” nicht zwingend vorläge und auch verschiedene Rechtsgutsträger betroffen sein könnten (BGH NStZ 2001, 642); mit letzterem Argument ließe sich gleiches auch bzgl. des § 123 I StGB vertreten. Nach dieser Ansicht läge daher keine Konsumtion, sondern Tateinheit vor.

Hier lässt sich noch eine neuere Entscheidung des BGH hinzufügen, die sich auf das von Werkmeister zitierte Urteil bezieht: BGH, Beschluss vom 21.08.2013, 1 StR 332/13:

Dies [Gesetzeseinheit, M.H.] ist jedoch nicht der Fall. Wie der Senat bereits zu dem Verhältnis zwischen §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 StGB sowie § 303 StGB ausgeführt hat (BGH, aaO, NStZ 2001, 642, 643 f.), sprechen mehrere Erwägungen gegen ein vollständiges Aufzehren des Unrechts der Sachbeschädigung durch einen unter Verwirklichung der hier einschlägigen unrechtssteigernden Merkmale des § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB begangenen Diebstahl. Zu diesen Erwägungen gehört vor allem die mögliche Verschiedenheit der durch die Sachbeschädigung einerseits und den Diebstahl andererseits verletzten Rechtsgüter und Rechtsgutsinhaber sowie die heutigen tatsächlichen Verhältnisse der Begehung entsprechender Taten. Diese lassen es nicht mehr als tragfähig erscheinen, die Sachbeschädigung als eine typische Begleittat eines unter den Voraussetzungen von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 StGB verwirklichten Diebstahls anzusehen (näher BGH, aaO, NStZ 2001, 642, 644).

Betrachten wir die weitere Argumentation von Werkmeister, JA 2013, 902 (909):

Eine aA will zwischen § 303 I StGB (Tateinheit) und § 123 I StGB (Konsumtion) differenzieren (MüKoStGB/Schmitz aaO § 243 Rn. 93). Nach überzeugender Ansicht – die erhebliche Strafschärfungen in der Rechtspraxis vermeidet – wird § 123 I StGB sowie auch § 303 I StGB konsumiert, es sei denn die Sachbeschädigung fällt im Einzelfall aus dem regelmäßigen Tatbild des § 244 I Nr. 3 StGB heraus und weist einen eigenständigen Unrechtsgehalt auf (Wessels/Hillenkamp aaO Rn. 245).

Wir sehen also, dass das Verhältnis von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu § 123 StGB nicht in einem Satz als ein Fall der Konsumtion bezeichnet werden sollte.

Wer die Lösung weiter anreichern möchte, könnte noch eine Differenzierung zwischen § 123 I Alt. 1 StGB und § 123 I Alt. 2 StGB vornehmen. Dazu zunächst ein Blick in § 123 I StGB:

(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Die erste Alternative bezieht sich demnach auf das Eindringen, während die zweite Alternative das Verweilen trotz Aufforderung zum Entfernen betrifft. Wie diese Differenzierung im Rahmen der Diskussion um die Konsumtion herangezogen werden kann, beschreibt Wittig, BeckOK, StGB, 2014, § 244 StGB Rn. 22:

§ 123 I 1 Var StGB wird nach zutr Ansicht von § 244 I Nr 3 StGB als typische Begleittat konsumiert; § 123 I 2 Var StGB kann in besonderen Fallkonstellationen dagegen eigenen Unrechtsgehalt haben, so dass Tateinheit möglich ist (vgl BGH BeckRS 2014, 03301; generell für Tateinheit Schönke/Schröder/Eser/Bosch StGB § 244 Rn 36; für Konsumtion zB Wessels/Hillenkamp Rn 245 mwN; siehe bereits § 243 Rn 33).

Wir sollten uns also zusätzlich die angegebene Entscheidung des BGH ansehen, BGH, Beschluss vom 27.01.2014, 4 StR 566/13:

Gegen eine Konsumtion des Unrechtsgehalts des Hausfriedensbruchs durch den verwirklichten Wohnungseinbruchsdiebstahl (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1968 – 2 StR 5/68, BGHSt 22, 127, 129 mwN) spricht hier bereits, […]. Auch könnte dem Umstand, dass sich der vom Wohnungsinhaber überraschte Angeklagte auf dessen ausdrückliche Aufforderung hin nicht aus der Wohnung entfernt hat, ein eigenständiger Unrechtsgehalt zukommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2001 – 1 StR 470/00, NStZ 2001, 642, 643).

Was folgt für uns aus diesen Überlegungen? Falls wir uns in einer mündlichen Prüfung oder in einer Klausur mit dem Verhältnis von § 244 I Nr. 3 StGB zu § 123 StGB auseinandersetzen müssen, zeigen wir Problembewusstsein.

Ein Kommentar

  1. […] Fragestellung war hier im Blog schon 2015 Thema. Eine neuere BGH-Entscheidung gibt aber Anlass, die Problematik noch einmal […]

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