Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für Individualverfassungsbeschwerden

Es gibt Sätze, die jeder Jura-Studierende einmal in einer Klausur niederschreiben muss. Dazu gehört sicherlich auch das Thema „Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für Individualverfassungsbeschwerden“.

Christian Thomas formuliert dazu in der JA 2015, 366 so:

Gemäß Art. 93 I Nr. 4 a GG, §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG ist das Bundesverfassungs­gericht für die Verfassungsbeschwerde zuständig.

Kerber/Spethmann/Starbatty/Stauffenberg, Der Kampf um den Lissabon-Vertrag, 2010, S. 314 schreiben hingegen wie folgt:

Das Bundesverfassungsgericht ist gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90, 92ff BVerfGG für Individualverfassungsbeschwerden zuständig.

Die Frage, die sich uns nun stellt: Welche Variante eignet sich für unsere Klausuren? Zunächst sollten wir die Unterscheide zwischen den beiden Normzitaten herausarbeiten. Dabei handelt sich um zwei Unterschiede. Welche?

Während Thomas „90ff. BVerfGG“ zitiert, schreiben Kerber/Spethmann/Starbatty/Stauffenberg „§§ 90, 92ff BVerfGG“.

Daraus folgen bereits die beiden Unterschiede:

(1) Dadurch, dass Thomas „90ff“ schreibt, zitiert er auch § 91 BVerfGG und damit eine Norm, die die Kommunalverfassungsbeschwerde betrifft:

Gemeinden und Gemeindeverbände können die Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, daß ein Gesetz des Bundes oder des Landes die Vorschrift des Artikels 28 des Grundgesetzes verletzt. Die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ist ausgeschlossen, soweit eine Beschwerde wegen Verletzung des Rechtes auf Selbstverwaltung nach dem Rechte des Landes beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann.

§ 91 BVerfGG steht in Verbindung mit Art. 93 I Nr. 4b GG. Deshalb ist ein Normzitat, das sich auf § 90 BVerfGG und dann erst wieder auf § 92ff BVerfGG bezieht genauer.

(2) Thomas lässt die Paragraphenkette bereits vor § 13 Nr. 8a beginnen.

Dazu erklärt uns Gröpl, Staatsrecht I, 2014, Rn. 58:

Werden innerhalb einer Aufzählung („Paragraphenkette“ Untergliederungen (Absätze, Sätze usw.) zitiert, ist nach dem Wechsel zurück auf die höhere Ebene die betreffende Gliederungseinheit zu wiederholen. Häufiges Klausurbeispiel: „§ 13 Nr. 8a, §§ 90ff. BVerfGG (nicht aber §§ 13 Nr. 8a, 90ff. BVerfGG).

(Bei diesem Zitat fällt aber auf, dass Gröpl bei der Individualverfassungsbeschwerde auch § 91 BVerfGG mit zitiert.)

wind

 

Wir halten fest: Wenn wir in einer Klausur auf der sicheren Seite sein wollen, zitieren wir so:

Art. 93 I Nr. 4a, § 13 Nr. 8a, §§ 90, 92ff BVerfGG.

Könnte ja sein, dass es jemand so genau nimmt … .

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