In juristischen Arbeiten theologisch argumentieren?

Heute soll es mal wieder um Methodenlehre gehen. Schauen wir uns dazu die folgenden drei Zitate an:

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, die Entscheidung des Arbeitsgerichts basiere auf einer unzutreffenden Auslegung des in § 14 Abs. 2 TzBfG normierten Vorbeschäftigungsverbotes und weiche von der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und eines Großteils der Instanzgerichte ab. Eine theologische Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebiete vielmehr die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass das Verbot der Vorbeschäftigung nicht zeitlich unbefristet geltend könne.

(LArbG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 29.05.2017, 6 Sa 405/15, juris, Rn. 13-15)

Die Kammer folgt der Auffassung des Bundesgerichtshofs und schließt sich dieser uneingeschränkt an. Sie hält die vom Bundesgerichtshof vorgenommene historische, systematische und theologische Auslegung für überzeugend.

(LArbG Frankfurt (Oder), Urt. v. 31.01.2014, 19 O 16/13, juris, Rn. 24)

Ergibt sich aus dem Wortlaut einer Vorschrift nicht klar, wie diese Vorschrift zwecks Verdeutlichung des in ihr vom Gesetzgeber beschlossenen Sinnes auszulegen ist, so sind weitere Auslegungskriterien hinzuzuziehen. Diese – in ihrer Bedeutung teils gleichrangigen, teils nachrangigen – Auslegungskriterien sind die Entstehungsgeschichte der Norm (historische Auslegung), der logische und systematische Zusammenhang, in dem die Norm steht (logisch-systematische Auslegung), sowie nicht zuletzt Sinn und Zweck der Norm (theologische Auslegung).
(VG Arnsberg Urt. v. 21.9.1978, 6 K 266/78, juris, Rn. 16)

Um dem Fehler auf die Spur zu kommen: Welche Gemeinsamkeit haben alle drei zitierten Entscheidungen?

In allen drei Entscheidungen ist von theologischer Auslegung die Rede. Zu den klassischen canones der juristischen Auslegung gehört jedoch nicht die theologische Auslegung, sondern die teleologische Auslegung. 

Und wenn wir uns schon mit diesem Thema beschäftigen, können wir das noch zum Anlass nehmen zu wiederholen, was Gegenstand der teleologischen Auslegung ist:

Ziel der teleologischen Auslegung ist es, den Regelungszweck einer Vorschrift zu ermitteln und das Normverständnis zur Geltung zu bringen, das diesen Zweck bestmöglich verwirklicht. Weil der Erlass einer Vorschrift immer Ausdruck einer Regelungsabsicht des Gesetzgebers ist, darf der Normzweck als das zentrale Kriterium auf der Suche nach dem richtigen Normverständnis gelten. Dabei kann es sich um einen konkreten Gesetzeszweck (z.B. Verbraucherschutz) oder um ein allgemeines gesetzliches Anliegen (wie Effektivität, Praktikabilität oder Gerechtigkeit) handeln.

(Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 294)

Übrigens: Prüfer schätzen es nicht, wenn man „teleologisch“ und „theologisch“ verwechselt.

P.S. Manchmal ist „theologische Auslegung“ aber auch die zutreffende Bezeichnung, jedoch für ein anderes Thema. Dazu folgendes Beispiel:

Die in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten vorhandenen Äußerungen des Klägers, deren Urheberschaft er nicht bestreitet, sind sicherlich geeignet, plausibel seine Zugehörigkeit zu einem orthodoxen Islamverständnis zu belegen. Sie verbleiben indessen inhaltlich im Rahmen der Darlegung theologischer Auslegungen und religiöser Meinungsäußerungen und sind mithin durch Art. 4 und 5 GG geschützt.

(VG Göttingen, Urt. v. 08.01.2013, 3 A 168/11, juris, Rn. 18)

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