Zur Zuständigkeit des Strafrichters am Amtsgericht

In der Musterlösung von Matthias Modrey zur Klausur B 81 aus dem Klausurenkurs von Alpmann Schmidt zum 2. Examen heißt es auf Seite 8:

C. Prozessuales

I. Gegen die Beschuldigten N und M ist die öffentliche Klage zu erheben. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht – Strafrichter – Bochum, da keine Strafe zu erwarten ist, die eine Freiheitsstrafe von vier Jahren übersteigt (§ 24 GVG).

Sollte man tatsächlich so formulieren, um die Zuständigkeit des Strafrichters zu begründen?

Schauen wir uns zunächst § 24 Abs. 1 S. 1 GVG an, der in der Lösung genannt wird:

In Strafsachen sind die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht

1. die Zuständigkeit des Landgerichts nach § 74 Abs. 2 oder § 74a oder des Oberlandesgerichts nach den §§ 120 oder 120b begründet ist,

2. im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§§ 66 bis 66b des Strafgesetzbuches) zu erwarten ist oder

3. die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles Anklage beim Landgericht erhebt.

In der Tat ist also das Amtsgericht nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GVG zuständig, wenn im Einzelfall keine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten ist. In der Musterlösung sollte aber nicht nur die Zuständigkeit des Amtsgerichts begründet werden, sondern vielmehr die Zuständigkeit des Strafrichters. Dessen Zuständigkeit können wir § 25 GVG entnehmen:

Der Richter beim Amtsgericht entscheidet als Strafrichter bei Vergehen,

1. wenn sie im Wege der Privatklage verfolgt werden oder

2. wenn eine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von zwei Jahren nicht zu erwarten ist.

Um die Zuständigkeit des Strafrichters bejahen zu können, müssen wir also davon ausgehen, dass es sich um ein Vergehen handelt und eine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von zwei Jahren (!) nicht zu erwarten ist. Insofern ist die Musterlösung fehlerhaft.

Von der Straferwartung – von der hier die Rede ist – ist die Strafgewalt zu unterscheiden. Diese kann man § 24 Abs. 2 GVG entnehmen:

Das Amtsgericht darf nicht auf eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe und nicht auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung erkennen.

Das Amtsgericht – und damit auch der Strafrichter – haben eine Strafgewalt, die bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe reicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert