Zugewinnausgleich: Erbrechtliche Lösung vs. güterrechtliche Lösung

Kaiser/Kaiser/Kaiser, Materielles Zivilrecht im Assessorexamen, 6. Aufl. 2012, S. 180 schreiben:

Zum Zugewinnausgleich nach §§ 1372 ff. BGB sollten Sie Folgendes wissen: Wenn die Ehe durch den Tod eines Ehegatten beendet wird, dann wird der Zugewinn dergestalt ausgeglichen, dass der überlebende Ehegatte nach §§ 1931 III, 1371 I BGB eine höhere Erbquote erhält (sog. erbrechtliche Lösung). Dies gilt nicht, wenn der Ehegatte bereits letztwillig (zB durch ein Berliner Testament) zum Erben gemacht wurde. Wenn die Ehe durch Scheidung oder Aufhebung beendet wird, erfolgt ein schuldrechtlicher Zugewinnausgleich nach §§ 1372 ff. BGB (sog. güterrechtliche Lösung).

Das klingt mir so, als wäre bei der Beendigung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten die erbrechtliche Lösung eine zwingende Konsequenz. Doch ist nicht auch bei der Beendigung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten die güterrechtliche Lösung möglich?

Der überlebende Ehegatte kann – wenn die Ehe durch den Tod eines Ehegatten beendet wird – zwischen der erbrechtlichen und der güterrechtlichen Lösung wählen.

Das wird schon erkennbar, wenn man nicht nur den § 1371 Abs. 1 BGB liest, sondern auch die folgenden Absätze. Zunächst § 1371 Abs. 1 BGB zur erbrechtlichen Lösung:

(1) Wird der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet, so wird der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht; hierbei ist unerheblich, ob die Ehegatten im einzelnen Falle einen Zugewinn erzielt haben.

 Und in § 1371 Abs. 2, Abs. 3 BGB dann zur güterrechtlichen Lösung:

(2) Wird der überlebende Ehegatte nicht Erbe und steht ihm auch kein Vermächtnis zu, so kann er Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 verlangen; der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten oder eines anderen Pflichtteilsberechtigten bestimmt sich in diesem Falle nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehegatten.

(3) Schlägt der überlebende Ehegatte die Erbschaft aus, so kann er neben dem Ausgleich des Zugewinns den Pflichtteil auch dann verlangen, wenn dieser ihm nach den erbrechtlichen Bestimmungen nicht zustünde; dies gilt nicht, wenn er durch Vertrag mit seinem Ehegatten auf sein gesetzliches Erbrecht oder sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat.

Kompakt zusammengefasst lesen wir dazu bei Leipold:

Statt der erbrechtlichen Lösung kann der überlebende Ehegatte stets zum güterrechtlichen Ausgleich, dh zum konkret berechneten Zugewinnausgleichsanspruch, gelangen, indem er die Erbschaft ausschlägt (§ 1371 Abs. 3). Ebenso gilt die güterrechtliche Lösung, wenn der Ehegatte durch Verfügung von Todes wegen vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen ist (§ 1371 Abs. 2). In beiden Fällen kann neben dem Zugewinnausgleich der Pflichtteil, berechnet auf der Grundlage des nicht erhöhten gesetzlichen Erbanteils (sog kleiner Pflichtteil), verlangt werden […].

(MüKoBGB, 8. Aufl. 2020, § 1931 BGB, Rn. 45)

Irgendwie hat man den Eindruck, dass man die zugegebenermaßen komplizierte Lage bei ruhiger Lektüre von § 1371 BGB ganz gut aus dem Gesetz heraus verstehen kann.

P.S. In der aktuellen Auflage des genannten Skripts sind alle Probleme rund um den Zugewinnausgleich vollständig entfernt worden.

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