Wird in § 234 Abs. 2 ZPO die Morgenstunde angesprochen?

Fristberechnungen sind in Klausuren ein beliebtes Thema. Darum soll es heute gehen. Betrachten wir folgendes Zitat:

Beginnt die Frist mit dem Tagesanfang (zB § 234 II ZPO), so wird der Anfangstag mitgerechnet (§ 187 II BGB).

Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Zivilgerichtsklausur im Assessorexamen, Bd. 1, 9. Aufl. 2021, S. 201 (Hervorhebung im Original)

Lässt sich das tatsächlich § 234 Abs. 2 ZPO entnehmen?

§ 234 ZPO (Wiedereinsetzungsfrist) legt in Abs. 2 fest, dass die in Abs. 1 angesprochene zweiwöchige Frist „mit dem Tag“ beginnt, an dem das Hindernis behoben ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

Bedeutet „mit dem Tag“ wirklich das Gleiche wie „Tagesanfang“ (so die Formulierung von Kaiser/Kaiser/Kaiser)? Dem allgemeinen Sprachgebrauch nach könnte man das meinen. Aber so ist es in § 234 ZPO nicht zu verstehen, die Formulierung im Gesetz ist missverständlich:

Fristbeginn ist ein Ereignis, das in den Lauf des Tages fällt. Das Gesetz formuliert das in Abs. 2 etwas missverständlich. Die Frist des Abs. 1 beginnt nie „mit dem Tage“ (also mit Tagesbeginn), sondern immer mit dem Ereignis iSd § 187 Abs. 1 BGB. Der Tag, in den das Ereignis fällt, wird also bei Ermittlung der Frist nicht mitgerechnet.

(MüKoZPO/Stackmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 234 Rn. 4)

Die Berechnung der Frist des § 234 Abs. 1 erfolgt gemäß § 222 iVm §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB. Der Tag, an dem das Hindernis wegfällt, wird daher nicht mitgezählt.

(Musielak/Voit/Grandel, 18. Aufl. 2021, ZPO § 234 Rn. 2)

In diesem Sinne: Wenn wir prüfen wollen, ob ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fristgerecht gestellt wurde, dann ist § 187 Abs. 1 BGB einschlägig, nicht § 187 Abs. 2 BGB:

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

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