Telegramm, oder: Der nostalgische Gesetzgeber

Die nächste Bundestagswahl liegt noch etwas in der Zukunft. Wenn Sie denn bevorsteht, könnte man auf den Gedanken kommen, die Erteilung eines Wahlscheins zu beantragen. Wie dies zu geschehen hat, ist in § 27 Bundeswahlordnung (BWO) geregelt:

(1) Die Erteilung eines Wahlscheines kann schriftlich oder mündlich bei der Gemeindebehörde beantragt werden. Die Schriftform gilt auch durch Telegramm, Fernschreiben, Telefax, E-Mail oder durch sonstige dokumentierbare elektronische Übermittlung als gewahrt. Eine telefonische Antragstellung ist unzulässig. Ein Wahlberechtigter mit Behinderungen kann sich bei der Antragstellung der Hilfe einer anderen Person bedienen; § 57 gilt entsprechend. […]

Worüber könnte man hier bei der Lektüre von § 27 Abs. 1 BWO stolpern?

Dazu ein Zitat von der Webseite der Deutschen Post:

Bitte beachten Sie: Das Produkt Telegramm wurde leider zum 31.12.2022 eingestellt, da die Nachfrage nach diesem Produkt auf Privatkundenseite in den letzten Jahren immer mehr gesunken ist.

Und siehe da: Das Telegramm existiert als Postdienst nicht mehr. Muss der Gesetzgeber nunmehr tätig werden? Darüber könnte man nachdenken. Man könnte aber auch sagen: Bei ungeändertem § 27 Abs. 1 BWO wird der Versuch, den Wahlschein durch Telegramm zu beantragen, schlicht und einfach unmöglich sein. Kunstgerecht und bürgerfreundlich wäre es aber natürlich, wenn § 27 Abs. 1 BWO die aktuell vorhandenen Antragsmöglichkeiten korrekt beschreiben würde.

Übrigens: Da das Telegramm auch noch an anderen Stellen im Bundesrecht „weiterlebt“ (eine Recherche im Bundesrecht führt zu bemerkenswerten Treffern, z.B. in § 48 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Sicherheit der Seefahrt durch die Untersuchung von Seeunfällen und anderen Vorkommnissen [Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetz]) , könnte der Gesetzgeber insoweit eine weitgreifende Gesetzesreform in Angriff nehmen :-).

2 comments

  1. - sagt:

    Sehr geerthe Frau Prof. Dr. Herberger,

    wären auch wenn die deutsche Post , ihren Dienst bezüglich dem Versenden von Telegrammen eingestellt hat, nicht auch weiterhin eine solche Beantragung denkbar ? Neben dem Fall das dieser Dienst wieder aufgenommen wird. So haben doch manche ausländische Postdienstleistende weiterhin einen solchen Dienst z.B. der United States Postal Service (https://telegram.us/)und ist somit nicht auch weiterhin eine Beantragung z.B. bei einer deutschen Auslandsvertretung mittels eines Telegrams denkbar ?

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