Sind Vergehen etwas anderes als Straftaten? Oder: Zum Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen

Nachdem am 01.02. meine Verwaltungsstation an der Universität in Speyer ihr Ende fand und meine Strafstation bei der Staatsanwaltschaft in Zweibrücken begonnen hat, konnte ich nicht ganz von meinem Hobby lassen, juristisch relevante Dialoge in Fernsehkrimis „stationsbezogen“ zu analysieren :-). Hier traf es sich nun glücklich, dass in dem Usedom-Krimi „Das Geisterschiff“ eine frühere Staatsanwältin (Karin Lossow) mit einem amtierenden Staatsanwalt (Dr. Dirk Brunner) in den folgenden Dialog geriet:
Karin Lossow:
Bei den meisten Vergehen war er minderjährig.
 
Staatsanwalt Dr. Dirk Brunner:
Ein Wohnungseinbruch ist kein Vergehen, sondern eine Straftat, das sollten Sie als studierte Juristin wissen.
 
Karin Lossow:
Ja, Herr Staatsanwalt, ich kenne den Unterschied zwischen Vergehen und Straftat.
(ARD, 14.02.2019, bei Minute 9:04)
 
Hier blieb ich etwas ratlos zurück.

Offensichtlich will Dr. Dirk Brunner einen Unterschied zwischen „Vergehen“ und „Straftat“ konstruieren. Das kann schon im Ansatz nicht funktionieren. „Straftat“ ist jede strafbare Handlung, also ist auch ein Vergehen eine Straftat.
 
Ein Blick in § 12 StGB zeigt, worauf Dr. Dirk Brunner wahrscheinlich hinaus will:
(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.
 
(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.
 
[…]
Er will also allem Anschein nach betonen, dass ein Einbruchdiebstahl kein Vergehen, sondern ein Verbrechen sei. Ob er damit richtig liegt, entscheidet sich nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 ggf. in Verbindung mit § 244 Abs. 4 StGB.
 
Werfen wir zunächst einen Blick in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB:
(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
 
[…]
 
einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in der Wohnung verborgen hält.
Diese Art eines Diebstahls ist also ein Vergehen.
 
Zum Verbrechen wird die Tat (neuerdings – sehr prüfungsrelevant!) im Falle von § 244 Abs. 4 StGB:
Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl nach Absatz 1 Nummer 3 eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Dieser Absatz 4 von § 244 StGB ist relativ neu. Er wurde durch das Fünfundfünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2442) zum 22.07.2017 in Kraft gesetzt. Stellt sich nun für den Usedom-Krimi die Frage, ob der Täter, von dem die Rede ist, seine entsprechende Tat vor dem 22.07.2017 oder nach dem 22.07.2017 begangen hat. Da vor dem Dialog zwischen Ex-Staatsanwältin und Staatsanwalt auf Vorstrafen Bezug genommen wird, spricht einiges dafür, dass der von dem Täter begangene Wohnungseinbruchdiebstahl vor dem 22.07.2017 stattgefunden hat – und dann wäre es „nur“ ein Vergehen gewesen, und nicht ein Verbrechen, wie der Staatsanwalt Dr. Brunner es annimmt.
 
Wie man es auch betrachtet: Ein ziemlich verkorkster Dialog rund um § 12 StGB und § 244 StGB.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert