Überschwenken eines Baukrans

Das auf der linken Seite dieses Beitrags abgebildete Gespräch könnte den Einstieg in eine mündliche Prüfung bilden. Es ließe sich die Frage diskutieren, ob man den Ausleger eines Kran über ein fremdes Grundstück schwenken darf. Um sich einer Antwort zu nähern, sollte zunächst darüber nachgedacht werden, ob es eine Vorschrift im BGB gibt, welche die Befugnisse des Eigentümers beschreibt. Insofern ist § 903 BGB einschlägig:

Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.

Offen bleibt dann natürlich noch die Frage nach der Reichweite des Eigentums. Wenn man hier die „Dunstkreismethode“ anwendet und sich ein wenig im Umfeld von § 903 BGB orientiert, wird man fündig.

Der Treffer ist § 905 BGB:

Das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigentümer kann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat.

Grundsätzlich erstreckt sich das Recht des Eigentümers also auch auf den Raum über der Oberfläche, § 905 S. 1 BGB. Allerdings kann der Eigentümer nach § 905 S. 2 BGB Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat. So hat das LG München (Urt. v. 10.09.2020, 13 O 3296/20, juris Rn. 14) in einem Kran-Fall einen Duldungsanspruch bejaht.

In einer mündlichen Prüfung könnte der Prüfer nun auf das Hammerschlags- und Leiterrecht nach z.B. Art. 46b BayAGBGB aufmerksam machen. Dort heißt es u.a. (vorsichtig, langes, unbekanntes Normzitat, das man sorgfältig lesen sollte):

(1) Der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks müssen dulden, dass das Grundstück von dem Eigentümer oder dem Nutzungsberechtigten des Nachbargrundstücks und von diesem beauftragten Personen zwecks Errichtung, Veränderung, Instandhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage betreten wird und dass auf dem Grundstück Gerüste und Geräte aufgestellt werden oder auf dieses übergreifen sowie die zu den Arbeiten erforderlichen Baustoffe über das Grundstück gebracht oder dort niedergelegt werden, wenn und soweit

  1. das Vorhaben anders nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann,
  2. die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen und
  3. das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht.

Das Recht ist so schonend wie möglich auszuüben. Es darf nicht zur Unzeit geltend gemacht werden.

(2) Abs. 1 findet auf den Eigentümer öffentlicher Verkehrsflächen keine Anwendung.

(3) Die Absicht, das Recht nach Abs. 1 auszuüben, sowie Art und Dauer der Arbeiten sind mindestens einen Monat vor deren Beginn dem Eigentümer und Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks von dem die Arbeiten veranlassenden Eigentümer oder Nutzungsberechtigten anzuzeigen. Ist ein Betroffener, dem Anzeige zu machen ist, unbekannten Aufenthalts oder nicht alsbald erreichbar und hat er auch keinen Vertreter bestellt, so genügt statt der Anzeige an diesen Betroffenen die Anzeige an den unmittelbaren Besitzer.

[…]

Hier könnte man dann darlegen, dass das Überschwenken eines Baukrans als Übergreifen von Geräten anzusehen ist (in diesem Sinne OLG München, Urt. v. 15.10.2020, 8 U 5531/20). Für den Fall, dass das Verfahren aus Art. 46b III BayAGBGB nicht eingehalten wird, handelt es sich um verbotene Eigenmacht iSv § 858 BGB, wenn man den Ausleger eines Krans über ein Nachbargrundstück schwenkt.

Abschließend ließe sich dann noch darüber nachdenken, ob Art. 46 b I BayAGBGB die vorrangige Regelung gegenüber § 905 S. 2 BGB darstellt.

Aus meiner Sicht wäre ein solches kurzes Prüfungsgespräch ein schönes Beispiel dafür, dass es in einer mündlichen Prüfung nicht um Detailwissen gehen soll, sondern um die Prüfung von juristischem Grundverständnis.

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