„Glühweintassendiebstahl“ auf dem Weihnachtsmarkt

Die Bild-Zeitung beschäftigt sich immer wieder mit rechtlichen Fragen. Gerade wurde dort der Frage nachgegangen, ob man den Glühweinbecher auf dem Weihnachtsmarkt behalten werden darf oder ob man ihn nach dem Trinken des Glühweins zurückgeben muss. Dazu hat die Bild-Zeitung den Rechtsanwalt Dr. Otto Bretzinger als Rechtsexperten befragt. Dieser erläutert:

Das Pfand ist nicht mit dem Kaufpreis gleichzusetzen. Rein rechtlich gesehen hat der Kunde nur den Glühwein gekauft, die Tasse gehört weiterhin dem Wirt. Das Pfand dient lediglich dazu, dass der Becher unbeschadet den Weg zurückfindet. Wer den Becher einfach einsteckt, begeht eigentlich eine Straftat, nämlich Diebstahl.

Begeht derjenige, der eine Glühweintasse unter den gegebenen Umständen mit nach Hause nimmt, tatsächlich einen Diebstahl im Sinne von § 242 Abs. 1 StGB?

Beginnen wir routinemäßig mit einem Blick in den relevanten Gesetzestext:

Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Ein Diebstahl nach § 242 Abs. 1 StGB setzt eine Wegnahme voraus. Darunter versteht man den

[…] Bruch, d.h. die gegen (oder ohne) den Willen des Berechtigten erfolgende Aufhebung des Gewahrsams des bisherigen Gewahrsamsinhabers und die gleichzeitige oder spätere Begründung neuen Gewahrsams für eine andere Person […].

(OLG Braunschweig, Urt. v. 04.03.2016, 1 Ss 65/15, juris, Rn. 18)

Für uns stellt sich also die Frage, ob derjenige, der unsere Glühweintasse auf dem Weihnachtsmarkt wie beschrieben mitnimmt, Gewahrsam bricht. Gewahrsam ist

[…] die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Ob und wessen Gewahrsam an einer Sache besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls und den Anschauungen des Verkehrs oder des täglichen Lebens zu beurteilen […].

(OLG Braunschweig, Urt. v. 04.03.2016, 1 Ss 65/15, juris, Rn. 18)

In unserer Konstellation überträgt der Glühwein-Verkäufer den Gewahrsam an der Tasse an den Glühwein-Käufer, sodass letzterer den Gewahrsam durch das Mitnehmen der Tasse nicht bricht. Allerdings muss man sich die Frage vorlegen, ob in dem Verhalten des Glühwein-Verkäufers kann nicht nur eine Gewahrsamslockerung gesehen kann, die einem Gewahrsamsbruch nicht entgegenstehen würde:

Eine Gewahrsamslockerung, also eine räumliche Entfernung des Gewahrsamsinhabers, hebt nach der Verkehrsauffassung den Gewahrsam nicht auf, wenn sich die Sache an einem Ort befindet, zu dem der Gewahrsamsinhaber jederzeit ohne rechtliche oder tatsächliche Hindernisse Zugang hat.

(BeckOK StGB/Wittig StGB § 242 Rn. 15)

Es kommt also im Einzelfall auf die tatsächliche Situation an. In der Regel wird es sich wohl eher nicht um eine bloße Gewahrsamslockerung handeln.

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