Alles Banane für Porsche: Zur Lektüre von Tageszeitungen vor der mündlichen Prüfung

denkerExamenskandidaten wird ja immer wieder empfohlen, zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung zeitnah eine gute Tageszeitung zu lesen. Das ist generell ein guter Rat, bestätigt doch die Erfahrung, dass oft Themen der mündlichen Prüfung durch die morgendliche Zeitungslektüre der Prüfer geprägt sind. Dass trotzdem Vorsicht geboten ist, zeigt das folgende Beispiel, das sich mit dem Freispruch ehemaliger Porsche-Vorstände durch das Landgericht Stuttgart befasst. In der Urteilsbegründung hatte sich der Vorsitzende Richter Frank Maurer außergewöhnlich kritisch mit der Arbeit der Staatsanwaltschaft befasst und Sätze wie den folgenden gesprochen:

An den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft, so Maurer, sei „nichts dran, weder vorne noch hinten noch in der Mitte“.

(„Doktor Wiedeking, Doktor Härter, Ihnen alles Gute“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.03.2016, Nr. 67, S. 26)

An dieser Art des Umgangs mit der Staatsanwaltschaft übte ein Generalstaatsanwalt a.D. in einem Leserbrief an die FAZ Kritik und führte u.a. folgendes Argument ins Feld:

Im Übrigen: Wenn der Fall von vornherein so klar war, wie es der Vorsitzende jetzt darstellt, warum hat das Gericht mit seinem Vorsitzenden dann das Hauptverfahren überhaupt eröffnet und die Anklage der Staatsanwaltschaft zugelassen? Zumindest einen hinreichenden Tatverdacht (Paragraph 203 Strafprozessordnung) muss das Gericht angenommen haben, sonst hätte es die Anklage nicht zulassen dürfen.

(Dr. Hans Christoph Schaefer, Generalstaatsanwalt a.D., Schriesheim, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.03.2016, Nr. 70, S. 6)

In der Tat, möchte man sagen, ein starkes Argument. Aber in concreto auch zutreffend?

Nein. Denn, so erfährt man in einer früheren Ausgabe der FAZ:

Die 13. Wirtschaftsstrafkammer ist nun schon das dritte Gericht, das sich mit dem Fall befasst, nachdem das Landgericht Stuttgart die Anklage erst gar nicht zulassen wollte und erst durch das Oberlandesgericht dazu gezwungen wurde.

(„Doktor Wiedeking, Doktor Härter, Ihnen alles Gute“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.03.2016, Nr. 67, S. 26)

Also muss man bei der punktuellen Lektüre aus prüfungsrelevanten Tageszeitungen Vorsicht walten lassen und dem Gesamtkontext nachgehen. Falls das Thema noch einmal in Prüfungen auftauchen sollte, sei neben der Lektüre von § 203 StPO auch die von § 204 StPO und § 210 StPO empfohlen.

Und wer ganz tief einsteigen will, kann den Beschluss des OLG Stuttgart vom 18.08.2014 (1 Ws 68/14) nachlesen. Der Tenor lautet:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der 13. Großen Strafkammer bei dem Landgericht Stuttgart vom 24. April 2014

a u f g e h o b e n .

2. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 17. Dezember 2012 wird zur Hauptverhandlung zugelassen. Das Hauptverfahren wird vor dem Landgericht – 13. Große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer – Stuttgart

e r ö f f n e t .

[…]

2 comments

  1. Thomas Hochstein sagt:

    Auch das ist wiederum nur zum Teil zutreffend. Die Wirtschaftsstrafkammer hatte nämlich über zwei verbundene Anklagen zu entscheiden, und eine dieser Anklagen – ich meine sogar diejenige, bezüglich derer die Staatsanwaltschaft Haftstrafen beantragte – hat die Kammer zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren insoweit selbst eröffnet.

    Der Fall ist also noch ein wenig verzwickter …

    • klartext-jura sagt:

      Danke für die ergänzende Bemerkung.
      Die Chronologie des Verfahrens stellt sich unter dem hier interessierenden Aspekt wie folgt dar.
      17.12.2012
      Anklage-Erhebung durch die StA Stuttgart
      Gegenstand: Mindestens fünf Presse-Erklärungen vom 10. März 2008 bis zum 26. Oktober 2008
      24.04.2014
      Beschluss des LG Stuttgart (13 KLs 159 Js 69207/09): Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens
      18.08.2014
      Beschluss des OLG Stuttgart (1 Ws 68/14): Zulassung der Anklage vom 17.12.2012 zur Hauptverhandlung
      22.06.2015
      Anklage-Erhebung durch die StA Stuttgart wegen der Presse-Mitteilung vom 26.10.2008
      Hier hat das LG Stuttgart die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht abgelehnt.
      Das kann man aber auch verstehen. Vermutlich wollte sich das LG Stuttgart nicht noch einmal vom OLG Stuttgart belehren lassen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert