Die Rechtsfähigkeit der GbR in der Klausur, oder: Bringt der Mittelweg den Tod?

In der RA (Rechtsprechungsauswertung von jura intensiv) 2015, S. 425 heißt es:

Das LG begründet die Rechtsfähigkeit der GbR nicht. In der Klausur genügt z.B. der kurze Hinweis auf § 47 II GBO völlig, um die vom Gesetz vorausgesetzte Rechtsfähigkeit der GbR zu belegen.

Sieht das jeder Korrektor so? Oder sieht ein sicherer Weg anders aus?

Betrachten wir verschiedene Lösungsansätze.

Ricarda Lotte und Marco Bertl konstatieren in der JuS 2014, 339 (341) zunächst, dass – anders als bei OHG und KG – eine ausdrückliche Normierung der Rechtsfähigkeit für die GbR im Gesetz fehlt, und fahren dann fort:

Nach der sog. individualistischen Theorie waren ausschließlich die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, nicht aber die GbR selbst, Träger von Rechten und Pflichten.

Begründet wurde dies mit dem Wortlaut des § 714 BGB („Vertretung der anderen Gesellschafter“) sowie dem Fehlen einer mit § 124 HGB korrespondierenden Norm.

Mit Urteil vom 29. 1. 2001 hat der BGH hingegen die Teilrechtsfähigkeit zumindest der Außen-GbR ausdrücklich anerkannt und sich somit der kollektivistischen Theorie angeschlossen.

Hierfür sprechen vor allem Praktikabilitätserwägungen. […] Zudem wird auch in § 191 II UmwG, § 11 II Nr. 1 InsO die Rechtsfähigkeit der GbR anerkannt.

Wie man sieht, halten diese beiden Autoren einen kurzen Hinweis auf § 47 II GBO nicht für ausreichend. Sie entscheiden sich für eine ausführliche Darstellung, die nicht nur beide Theorien nennt, sondern auch Begründungsansätze liefert.

Christoph Teichmann, Christian Körber und Peter Schau begnügen sich in der JuS 2011, 723 (725) gleichfalls nicht nur mit einem kurzen Hinweis. Als Beleg seien die wesentlichen Teile ihrer Argumentation zitiert:

Früher war umstritten […]

Überwiegend wurde dies entsprechend der individualistischen Theorie verneint.

Dafür lässt sich beispielsweise § 714 anführen, der von einer Vertretung „der Gesellschafter” und nicht „der Gesellschaft” spricht.

Mit Urteil vom 29. 1. 2001 („Weißes Ross”) […]

Dies steht im Einklang mit dem Willen des modernen Gesetzgebers, der in einigen Normen ausdrücklich von der Teilrechtsfähigkeit der GbR ausgeht, vgl. § 11 II Nr. 1 InsO, § 191 II UmwG, § 162 I 2 HGB.

Es ist nunmehr unstreitig, dass einer (Außen-)GbR analog § 124 HGB (Teil-)Rechtsfähigkeit zukommt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet.

Die Autoren geben den Lesern zusätzlich noch einen Hinweis mit auf dem Weg, wie sie die Frage der Rechtsfähigkeit der GbR in einer Klausur darstellen sollen:

Hinweis: Ausführungen zur Rechtsfähigkeit und Grundbuchfähigkeit dürfen sich in der Fallbearbeitung auf wenige knappe Sätze beschränken, denn die (Teil-)Rechtsfähigkeit der (Außen-)GbR wird seit der genannten BGH-Entscheidung allgemein nicht mehr in Frage gestellt […].

Ein kurzer Hinweis auf § 47 II GBO würde den Autoren wohl nicht genügen. Sie empfehlen zwar keine ausführliche Darstellung, aber wenige knappe Sätze.

Ingo Saenger und Lisanne Uphoff hingegen fassen sich in der JA 2014, 338 (339) sehr knapp:

Dies setzt die Rechtsfähigkeit der GbR voraus, die nach ganz herrschender Auffassung zu bejahen ist, weshalb eine GbR entsprechend § 124 HGB für wirksam begründete Verbindlichkeiten haftet (MüKoBGB/Ulmer/Schäfer, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 727 Rn. 28; Staudinger/Habermeier, BGB, Neubearb. 2003, § 727 Rn. 14).

Wir sehen: Die Meinungen, wie ausführlich die Rechtsfähigkeit der GbR in einer Klausur dargestellt werden soll, gehen ziemlich auseinander. Im Sinne eines sicheren Weges empfiehlt sich wohl ein Mittelweg: Weder eine allzu ausführliche Darstellung noch ein bloßer kurzer Hinweis auf § 47 II GBO.

Aber leider droht im Jura-Studium auch bei der Wahl des Mittelwegs immer die Gefahr, die Friedrich von Logau (1605–1655) so beschrieben hat:

Logau-Zitat

 

 

 

(Vgl. zur Vertiefung 🙂 den Wikipedia-Artikel „In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod„, Version vom 31.5.2015.)

Ein Kommentar

  1. […] in einer Klausur aufzubereiten ist (vgl. dazu den Beitrag „Die Rechtsfähigkeit der GbR in der Klausur, oder: Bringt der Mittelweg den Tod?„). Was hat sich jetzt diesbezüglich zum 01.01.2024 […]

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