Rechtsbindungswille: §§ 133, 157 BGB analog

Betrachten wir heute das folgende Zitat:

Das zentrale Abgrenzungskriterium zwischen Willens- und Gefälligkeitserklärung ist insoweit der Rechtsbindungswille, dessen Kundgabe Voraussetzung des objektiven Tatbestands einer Willenserklärung ist. Ob ein solcher Wille vorliegt und die Parteien damit einen Vertrag geschlossen haben, ist durch eine Auslegung anhand des objektiven Empfängerhorizonts nach §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte zu beurteilen.

(Daßbach, JA 2018, 575)

Wie könnte man das Zitat perfektionieren?

Exakt, es geht um die Auslegung anhand des objektiven Empfängerhorizonts nach §§ 133, 157 BGB. In dem Zitat wird erläutert, wie eine Willenserklärung von einer Gefälligkeitserklärung abgegrenzt werden soll. Dazu ist zu ermitteln, ob der für eine Willenserklärung notwendige Rechtsbindungswille gegeben ist. Relevant ist also nicht die Frage, wie eine Willenserklärung auszulegen ist, sondern die vorgelagerte Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt.

§ 133 BGB bezieht sich seinem Wortlaut nach auf Willenserklärungen.

§ 157 BGB legt seinem Wortlaut nach fest, wie Verträge auszulegen sind. Verträge wiederum bestehen aus Willenserklärungen.

Deshalb können wir §§ 133, 157 BGB nicht direkt heranziehen. Die Normen sind allerdings analog auf die Frage anzuwenden, ob überhaupt eine Willenserklärung gegeben ist.

So sehen das beispielsweise auch Paal/Kumkar:

Die Notwendigkeit der Analogie ergibt sich, da die §§ 133, 157 an einen bestehenden Vertrag anknüpfen, es hier jedoch um die vorgelagerte Frage geht, ob die Parteien überhaupt mit Rechtsbindungswillen handeln.

(JuS 2015, 707, 709)

P.S. Der Aufsatz von Daßbach in der JA 2018, 575 ff. zu Gefälligkeitsverhältnissen in der Fallbearbeitung ist einer Lektüre wert. Der gut verständliche und anschaulich geschriebene Aufsatz ist mit vielfältigen Lernfrüchten verbunden.

2 comments

  1. Max sagt:

    Würden Sie dann auch bei der Auslegung der Erklärung eines Gestaltungsrechts (zB Anfechtungserklärung) § 157 BGB nur analog (weil kein Vertrag) heranziehen?

    • klartext-jura sagt:

      Ja, in der Tat, die Auffassung gibt es. Hemmer schreibt dazu:

      „Anmerkung: § 157 BGB kann aber nur analog angewendet werden, da die Anfechtung ein einseitiges Rechtsgeschäft ist. Aufgrund der Empfangsbedürftigkeit der Erklärung und der damit verbundenen Schutzwürdigkeit des Empfängers, besteht aber eine vergleichbare Interessenlage. Es entspricht jedoch mittlerweile nahezu allgemeiner Meinung, dass § 157 BGB auch auf empfangsbedürftige Willenserklärungen angewendet werden kann.

      Umgekehrt ist § 133 BGB auch nicht nur auf Willenserklärungen, sondern auch auf Verträge anwendbar. Aus diesem Grund werden die §§ 133, 157 BGB bei Verträgen bzw. empfangsbedürftigen Willenserklärung stets zusammen zitiert. Bei nicht empfangsbedürftigenWillenserklärungen wäre dagegen das Zitat des § 157 BGB grob falsch (z.B. Testament).“

      (https://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:OROzUpn8HEUJ:https://www.repetitorium-hemmer.de/rep_pdf/4__16574_01Loesung_02_2020.pdf+&cd=19&hl=de&ct=clnk&gl=de)

      Betrachtet man aber andere Zitate aus Rechtsprechung und Literatur, so wird weit überwiegend bei Gestaltungserklärungen „§§ 133, 157 BGB“ herangezogen.

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