„Besprechung Weihnachtskonzert“ als anwaltliche Aufgabe?

Das Recht ist im Alltagsleben allgegenwärtig, demnach auch rund um Weihnachten. So kann sich z.B. die Frage stellen, ob die Besprechung des Weihnachtskonzerts eine prägende anwaltliche Aufgabe darstellt. Mit dieser Problematik hatte sich dieses Jahr der Anwaltsgerichtshof München zu befassen.

Wie hat er wohl geantwortet?

Zunächst – sozusagen als Crash-Kurs in Sachen „Syndikusrechtsanwalt“ – einige Bemerkungen zum gar nicht weihnachtlichen rechtlichen Hintergrund der Frage. Begehrt wurde die Zulassung als Rechtsanwalt von einem Unternehmensangestellten. Solche Angestellte üben ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind und werden als Syndikusrechtsanwälte bezeichnet. Sie bedürfen zur Ausübung dieser Tätigkeit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 46 Abs. 2 BRAO). Ob das möglich ist, richtet sich nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO. Es kommt gemäß dieser Vorschrift darauf an, ob fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübende Tätigkeiten durch folgende Merkmale geprägt sind:

  • die Prüfung von Rechtsfragen, einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts, sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten,
  • die Erteilung von Rechtsrat,
  • die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen, oder auf die Verwirklichung von Rechten und
  • die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten.

Der die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft begehrende Antragsteller hatte mit Blick auf diese Voraussetzungen eine umfangreiche Tätigkeitsliste vorgelegt. Hier kommt nun die „Besprechung Weihnachtskonzert“ ins Spiel. Um diesen Punkt systematisch einordnen zu können, ist ein Blick auf das in Bezug genommene Aufgabenspektrum unumgänglich. Es lautet:

Besprechung von Personalthemen beim „Mittagessen mit Mitarbeitern“ (S. 3, 20), die „Erledigung von Emails und Unterschriften von Verträgen“ (S. 4, 18), „Besprechungen zu den Eigenveranstaltungen und mit dem Gebäudemanagement“ (S. 6), die „Besprechung Bibliothek wegen Verwaltungsstandort“ (S. 7), der Eintrag „Planungsprämissen“ (S. 7), die „Begehung Außenbereich wegen Kunstobjekten mit Externen“ (S. 8), die „Nachbesprechung Vortrag Hochschule für Musik und Theater“ (S. 9), die „Baustellenführung Filmfestleitung“ (S. 10), das „Forum Personal: Austausch der Beteiligungsgesellschaften der Stadt M.“ (S. 11), „Telefonat mit kleineren Fraktionen“ (S. 11), „Personalgespräche“ (S. 12), Gespräche mit „Politikern“ (S. 13), der „JF Leiter Abteilung Zukunft“ (S. 15), ein „Gang durch die Veranstaltung im Haus“ (S. 17), die „Besprechung Weihnachtskonzert, Last Minute Konzerte“ (S. 19), die „Diskussion der Betriebskosten“ (S. 20), „The Art of Music Education“ (S. 21), „Konzertinstitutionen als Active Citizen“ (S. 22)

(Hervorhebung nicht im Original)

Anwaltsgerichtshof München, Urt. v. 22.06.2020, BayAGH I – 5 – 09/2018 Rn. 95, juris

Man ahnt es schon. Das Gericht ließ sich durch diese Aufzählung nicht davon überzeugen, dass man es mit schwerpunktmäßig anwaltlich geprägten Tätigkeiten zu tun hat. Denn man müsse sich fragen:

Aus Sicht des Senats fehlt es jedoch weitgehend an einer begleitenden, näheren Beschreibung dieser Tätigkeiten entsprechend den Kriterien des § 46 Abs. 3 Nr. 1 – 4 BRAO, was eine inhaltliche Bewertung erschwert. Umfasst das „Studium eines Vertrages“ neben der Prüfung von Rechtsfragen auch das konkrete Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten? Kommt es im „Jour fixe“ bzw. der „Leitungsrunde“ konkret zur Erteilung von Rechtsrat? Manifestiert sich im Bereich Personal die Diskussion um „Kündigungsmöglichkeiten“ bzw. die „rechtliche Strategie“ in einer konkreten Vertragsgestaltung durch den Kläger?

(a.a.O., Rn. 97)

Man könnte die Frageliste fortsetzen und fragen: Was bedarf bei der Besprechung des Weihnachtskonzerts der anwaltlichen Expertise? Damit wird zugleich aber auch der Substantiierungsweg für einen erneuten Antrag auf Zulassung zur Anwaltschaft deutlich. Man könnte dort den Punkt „Bearbeitung aller rund um Weihnachten anfallenden Rechtsfragen“ aufnehmen und hätte genug Stoff, wie zum Beispiel:

Und nun sei allen Leserinnen und Lesern trotz der obwaltenden Umstände ein gutes Weihnachtsfest und ein guter Start in das Neue Jahr gewünscht! Wir sehen uns hier wieder mit dem ersten Beitrag für 2021 am 11. Januar – hoffentlich nach dem Ende des Lockdowns.

2 comments

  1. Nemo Negidius sagt:

    In Zeiten von Corona freilich darf man sich fragen, ob „Besprechung Wehnachtskonzert“ nicht die notwendige Prüfung der seuchenrechtlichen Fragen als Kernproblem der Besprechung auf der Stirn geschrieben trägt? Mit „Besprechung“ könnte freilich auch die Rezension eines Weihnachtskonzerts gemeint sein – je nach Qualität der Darbietenden wäre zu prüfen, ob sich nicht schwierige Fragen der – beweisbaren – Bewertung künstlerischer Leistung und einer Formalbeleidigung beim Abfassen der Besprechung zu klären wären. Angesichts der Qualität insbesondere der musici, die sich zur muskalischen „Umrahmung“, wie es so gerne heißt, von Kartoffelsalat und Punsch bei betrieblichen Feiern zusammenfinden, scheint auch dies eine lebensnahe Möglichkeit, vor der der Anwaltsgerichtshof seine Augen verschließt…

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